Herzstück neue Speditionssoftware: Mehr Change- als IT-Projekt
Ein neues Transport Management System (TMS) aufzusetzen muss schnell gehen. Am liebsten per Knopfdruck: Ein Klick und alle Maschinen laufen mit voller Kraft, nur eben effizienter als zuvor. Vielleicht noch ein paar Schulungseinheiten für die Mitarbeiter und dann passt es schon. Unser Geschäft ändert sich ja nicht und es ist schließlich „nur“ ein Softwarewechsel. In der Realität ist ein TMS allerdings viel mehr als das und keineswegs mit gewöhnlichen Office-Anwendungen vergleichbar. Die Vorgaben und Prozessdefinitionen aus diesem System prägen die Arbeitsabläufe aller Mitarbeiter sowie die Datenqualität für alle Managementinformationen über Jahre, teilweise sogar Jahrzehnte. Nicht umsonst gilt das beinahe schon geflügelte Wort vom TMS als dem Herzstück jeder Spedition. Wer hier einen Eingriff vornimmt, operiert stets am offenen Herzen. Und weil so viel mehr daran hängt, ist die Einführung eines neuen TMS nicht bloß ein IT-, sondern ein Change-Projekt.
Die menschliche Komponente nicht unterschätzen
Mit dem TMS verhält es sich wie mit Herzen: Je älter sie sind, desto schwieriger wird ein Eingriff. Dabei geht es allerdings nicht um die technische Umsetzbarkeit, wie die Praxis immer wieder zeigt. Es geht vielmehr darum, ein Umdenken in den Köpfen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erreichen, indem sie frühzeitig involviert und auf die neuen Prozesse vorbereitet werden. Sonst kann es leicht geschehen, dass sie Wege suchen, um alte und vertraute Strukturen im neuen Tool nachzubilden. Denn bestimmte Abläufe sind nicht selten so eingeschliffen, dass man sich nur schwer davon lösen mag. Das kann tückisch werden, weil sie im neuen, modernen TMS beispielsweise nicht mehr an jeder beliebigen Stelle in den Prozess eingreifen können, um Daten zu ändern. Stattdessen braucht es von Beginn an eine hohe Datenqualität und Prozesstreue, von der Auftragserfassung über die Abfertigung und Disposition bis hin zur Abrechnung. Dass Logistiker die Bedeutung der menschlichen Komponente bei einem vermeintlich reinen IT-Projekt unterschätzen, kommt öfter vor – und zwar unabhängig von der Betriebsgröße.
Nicht nur Um- sondern auch Einstellungssache
Wie bei einer Herz-OP gibt es auch bei der Umstellung des Herzstücks jeder Spedition demnach zwei wichtige Aspekte: Den chirurgischen Eingriff (IT) und der mentale Umgang mit der Situation (Change). Beide sind eng miteinander verknüpft und bedingen einander, wenn der Eingriff gelingen soll. Idealerweise begleitet darum ein Team von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Umstellung schon in der Planungsphase. In dieser Zeit können auch Vorschläge aus der Operativen für das neue System berücksichtigt werden. Vor allem aber macht sich ein Kernteam bereits so früh wie möglich mit den Änderungen vertraut und kann seine Erfahrungen mit den anderen Kolleginnen und Kollegen teilen. Schulungen im Vorfeld und begleitend zur Umstellung fördern darüber hinaus nicht nur die Akzeptanz auf Seiten der Mitarbeiter, sondern verkürzen sozusagen die „Reha“ enorm, also die Zeit nach der TMS-Umstellung, bis der Logistikdienstleister wieder voll leistungsfähig ist.
Die eigentliche Herausforderung findet also vor allem auf der menschlichen Ebene statt. Eine erfolgreiche TMS-Einführung ist darum idealerweise als Change-Prozess angesetzt. Wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von den Vorteilen des neuen Systems überzeugt sind, weil es ihnen beispielsweise lästige Routineaufgaben wie eine wiederholte Datenprüfung abnimmt und sie frühzeitig in den Prozess eingebunden werden, ist die Erfolgsquote besonders hoch. Also: Keine Angst vor der speditionellen Herz-OP. Mit dem richtigen Mindset und Herangehen gelingt der Eingriff nicht nur. Danach geht es dem Patienten tatsächlich besser.