Was uns Superhühner über gute Teams verraten

„Ich wollt‘ ich wär‘ ein Huhn – ich hätt‘ nicht viel zu tun. Ich legte täglich nur ein Ei und sonntags auch mal zwei“, heißt es in einem alten Schlager. Dass die wenigsten Hühner sich allerdings aus bekannten Gründen Gedanken um ihre Altersvorsorge machen müssen, bleibt dabei unerwähnt. Was das gackernde Geflügel allerdings tatsächlich ausmacht, ist ein ausgeprägtes Sozialverhalten. Hühner sind sehr gesellig und – gemäß Managementterminologie – eindeutig teamfähig. In dieser Eigenschaft, kombiniert mit übermäßig gesteigerter Produktivität, verraten sie uns viel darüber, was ein gutes Team ausmacht.

Mit dem Klischee des scheinbar müßigen Lebens der gefiederten Tierchen wollte Dr. William Muir (Biologe der Purdue University) aufräumen. Von wegen, jeden Tag nur ein Ei legen – da ist doch sicher mehr drin! Der Evolutionsbiologe bemaß die Produktivität von Hühnern anhand ihrer Eierquote: Je mehr Eier, desto leistungsfähiger das Huhn. Super Chicken nannte er diese Top-Performer, die er gezielt zur Fortpflanzung selektierte. Daneben hielt er eine Vergleichsgruppe durchschnittlicher Hühner, die völlig unbehelligt ihr im Schlager besungenes Leben führen und sich nach Belieben fortpflanzen durften. Nach einigen Generationen hätte man erwarten können, dass die Superhühner ihren durchschnittlich eierlegenden Artgenossen den Rang abgelaufen hätten – aber es kam anders.

 

Helpfulness statt Hackordnung

Nach sechs Generationen hatten die ehemaligen Durchschnitts-Performer ihre Produktivität gesteigert und erfreuten sich bester Gesundheit und einem vollen Federkleid. Die Lage bei den Superhühnern war dagegen desolat: Nur drei hatten überlebt. Sie waren gestresst, aggressiv und nicht gesund. Man könnte im übertragenen Sinne sagen, dass die gefiederten Top-Performer ein starkes Konkurrenzdenken auszeichnete. Das Sozialverhalten der Tiere hatte sich drastisch verändert. Statt einem einträchtigen Neben- und Miteinander zählte die Devise: Jede Henne für sich. Auseinandersetzungen waren viel häufiger und verliefen deutlich brutaler als bei der Vergleichsgruppe, Konkurrentinnen wurden nicht selten zu Tode gepickt.

Und die Moral von der Geschicht‘: Nur auf Top-Performer zu setzen, lohnt sich nicht. Denn die setzen vor allem auf Konkurrenzkampf. Und wer seine Energie darauf verwendet, gegen- statt miteinander zu arbeiten, hält das ganze System auf -. Die Teamatmosphäre wird ungenießbar und die Gefahr steigt, dass gute Mitarbeiter*innen das Unternehmen verlassen. Statt individueller Höchstleistungen sollten Firmen vielmehr auf eine gute Teamstruktur setzen, in der die Kolleg*innen sich gegenseitig vertrauen, inspirieren, kritisch hinterfragen und gemeinsam weiterbringen. Diese Art des Mindsets fasst der Begriff „Helpfulness“ recht anschaulich zusammen. Denn er beschreibt die Fähigkeit eines Teams, miteinander zu kommunizieren, sich zu unterstützen und Wissen zu teilen. Nicht, damit eine einzelne Person gut dasteht, sondern im Sinne des gemeinschaftlich gesetzten Ziels. Von diesem Spirit profitieren Unternehmen.

Viele Eier sind nicht alles

Beispiel Google. Für ein Suchmaschinen-Unternehmen, so könnte man vermuten, liegt Effektivität vielleicht in der Anzahl von Codezeilen, die ein Programmierer pro Tag erarbeitet. Eine klar quantifizierbare Größe. Aber viel Programmcode bedeutet nicht automatisch hohe Effizienz – im Gegenteil. Google berief deshalb das Projekt „Aristoteles“ ein, um zu untersuchen, was ein gutes und erfolgreiches Team ausmacht und befähigt, um effektiv und effizient zu arbeiten. Das Ergebnis der Untersuchung beinhaltet fünf wesentliche Faktoren:

  1. Psychologische Sicherheit
    Teammitglieder fühlen sich in der Gruppe sicher. Darum holen sie Anregungen und Meinungen von Kolleg*innen ein, teilen Informationen über persönliche Vorlieben und Arbeitsstile und ermutigen andere, das Gleiche zu tun. Weil sie offen miteinander sprechen können, entsteht ein wohliges Arbeitsklima.
  2. Verlässlichkeit
    Die Teammitglieder arbeiten gewissenhaft und unterstützen sich gegenseitig. Jedes Teammitglied hat eine klar definierte Rolle und Verantwortlichkeit. Konkrete Projektpläne sorgen für Transparenz für alle Beteiligten.
  3. Klare Ziele
    Die Gruppe hat klare Teamziele und jedes Teammitglied kennt den Plan zum Erreichen dieser Ziele. Diese sind nicht von oben verordnet und realitätsfern, sondern unter Mitwirkung der Mitarbeiter*innen entstanden.
  4. Fehlerkultur und Unterstützung
    Teammitglieder erhalten regelmäßig positives Feedback für das, was sie hervorragend machen. Nicht nur von Kolleg*innen, sondern auch von Vorgesetzten. Sie wissen, dass sie sich auf Hilfe verlassen können, wenn sie Schwierigkeiten haben. Es herrscht ein konstruktiver Umgang mit Fehlern.
  5. Vision und Wirkung
    Das Team hat eine klare Vision davon, wie die Arbeit jedes Teammitglieds direkt auf die gesetzten Ziele der Gruppe und des Unternehmens einzahlt. Zugleich hat das Team den nötigen Raum, die Auswirkungen seiner Arbeit auf Kunden und die Unternehmensorganisation als Ganzes zu reflektieren und denkt empfänger- statt absenderorientiert.

Das Fazit dieser Untersuchung: Ein Unternehmen ist nur dann erfolgreich, wenn ein ganzes Team dazu seinen Beitrag leisten. Kein erfolgreiches Unternehmen ruht auf dem Ehrgeiz und des Konkurrenzdenkens eines Einzelnen. Das wusste selbst Steve Jobs: „Great things in business are never done by one person. They’re done by a team of people.“ Und damit das funktioniert, braucht es nicht möglichst viele Superhühner, sondern eine möglichst gute Arbeitsatmosphäre.

„Be water my friend“ – Bruce Lee und die Cloud 

Wir nutzen viele bildhafte Umschreibungen für Unnachgiebigkeit und Standfestigkeit: „Wie ein Fels in der Brandung stehen“, „eisenhart bleiben“ oder „sich verwurzeln“. Beharrlichkeit hat zweifelsfrei nicht nur aus sprachlicher Sicht etwas Faszinierendes. Das gilt auch im Unternehmenskontext, denn letztlich ist jede Geschäftsidee der Unnachgiebigkeit ihrer Erfinder zu verdanken. Von etwas derart überzeugt zu sein, dass man es gegen alle Widerstände verteidigt, ist durchaus beachtlich. Aber es blockiert unter Umständen Fortschritt und Weiterentwicklung und fördert nicht die Möglichkeiten einer besseren Zukunft. Wer beispielsweise aus Gewohnheit an alten Methoden oder alter Technologie festhält, weil er eine neue Entwicklung nicht einzuschätzen vermag, kann sein Unternehmen damit gegenüber der Konkurrenz schnell ins Hintertreffen befördern. 

 

Kontrolle und Flexibilität 

Die Devise muss also stattdessen lauten, stets flexibel und offen für Neues zu sein. Kung-Fu-Legende Bruce Lee brachte es in einem Interview von 1971 folgendermaßen auf den Punkt: „Be water, my friend!“ Denn nicht der starre Stein sei eigentlich das Sinnbild für Stärke, sondern das anpassungsfähige Wasser, das auch den stärksten Felsen aushöhlen kann. Kontrolliertheit bei gleichzeitiger Flexibilität und der nötigen Wucht in der Umsetzung, wenn nötig – das mache Wasser so stark. Übertragen auf den Unternehmenskontext kann man ableiten, dass es um das richtige Gleichgewicht dieser beiden Pole geht: Kontrolle und Flexibilität. Nicht dem einen Extrem zu verfallen und damit zu erstarren, aber auch nicht dem anderen und damit außer Kontrolle zu geraten. Beides so gut zu beherrschen wie Wasser – das ist die Kunst. 

Daten müssen fließen 

In diesem Sinne sind auch Unternehmen stets gut beraten, im Hinblick auf Ihre IT flexibel zu bleiben. Auch für sie gilt: „Be water, my friend!“ Internationale Lieferketten, Produktionsprozesse, Vertrieb und Marketing – sie alle sind auf eine flexible IT angewiesen. Informationen und Daten müssen transparent für alle Beteiligten Partner sein und fließen – ganz ähnlich wie WasserDerzeit wird kein anderes Konzept diesen hohen Anforderungen besser gerecht als Cloud-LösungenUnternehmen müssen sich bei Cloud-Services nicht mehr um das Management der Infrastruktur, Lebenszyklen von Serverkomponenten oder regelmäßige Systemupdates kümmern. Die Systeme sind außerdem standortunabhängig einheitlich und jederzeit erreichbar. 

 

Aber vor allem bieten Cloud-Lösungen deutlich mehr Flexibilität und Skalierbarkeit als reine On-Premises-Rechenzentren – zum Beispiel, wenn es darum geht, virtuelle Desktops für neue Mitarbeiter bereitzustellen. Oder die Kolleginnen und Kollegen mit virtuellen Desktops auch im Homeoffice dazu in die Lage zu versetzen, ebenso effizient weiterzuarbeiten wie im Büro. Kein Wunder also, dass diese Dienste seit letztem Jahr besonders stark nachgefragt werden. Eines ist vielen Unternehmen bereits klar: Ohne Cloud wird der digitale Wandel angesichts der stetig steigenden Anforderungen an Vernetztheit und Kommunikation schwierig. Und die meisten ziehen dabei sogenannte Hybrid-Cloud-Lösungen vor. 

 

Das Beste aus beiden Welten 

Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie von IDG Research Services, Computerwoche und CIO in Zusammenarbeit mit Dell, Intel, Google Cloud und weiteren großen IT-Unternehmen. Die Hybrid-Cloud vereint eine lokale Infrastruktur vor Ort mit Cloud-Diensten wie beispielsweise Microsoft Azure – und damit ein hohes Maß an Sicherheit und Kontrolle mit der flexiblen Skalierbarkeit, inklusive Betrieb durch einen Dienstleister. Unternehmen können auf diese Weise in all den Bereichen international in der Rechner-Wolke arbeiten, wo es sinnvoll ist. Und wenn es um kritische Anwendungen und besonders sensible Daten geht, behalten sie in der privaten Cloud ihres Unternehmens die Hoheit darüber. Das Beste aus beiden Welten, sozusagen. Und darum: „Be watermy friend!“ 

 

 

Monkey First: Projektmanagement mal andersrum

Man muss das unmögliche Versuchen, um das Mögliche zu erreichen. So hat Herrmann Hesse es einmal formuliert. Damit hat er sehr anschaulich umschrieben, wie man neuen Herausforderungen begegnen sollteAber wie geht man so etwas am Besten an? Klar: QuickWins. Erst einmal das machen, was bekannt ist und damit schnell Fortschritte erzielen. Das ist geübte Praxis und man kann sich schön auf die schwierigen Dinge eingrooven. Die ersten Erfolge stellen sich bald ein und man ist in Fahrt für die kniffligen Arbeiten. Das motiviert und hilft dabei, die anfängliche Schockstarre zu überwinden, die einen vielleicht angesichts des Umfangs des ein oder anderen Projekts überkommt. Nach diesen Quick-Wins folgen die restlichen Aufgaben in steigender Komplexität. 

Monkey First: Wie man ein Projekt auch anders angehen kann 

Allerdings neigen wir dazu, den besonders schwierigen Teil, der nicht selten der eigentliche Kern der betreffenden Aufgabe ist, immer weiter nach hinten zu schieben. Dabei konzentrieren wir uns auf weitere Quick-Wins. Es gibt jedoch einen Ansatz, der genau andersherum funktioniert. Nimmt man beispielsweise einmal an, man wollte einem Affen beibringen, auf einem Podest stehend aus einem Werk von Shakespeare zu rezitieren. Das Podest zu bauen ginge schnell und wäre somit ein Quick-Win, aber ziemlich sinnlos, wenn der Primat am Ende nicht performen kann. Darum beginnt man genau damitDiese Art der Priorisierung im Projektmanagement nennt sich „Monkey First“. So lautet auch das Mantra der kreativen Geister bei Google X, von denen diese Idee stammt. 

Beim Projektmanagement von Google lernen 

Das bedeutet: Die einfach zu realisierenden Aufgaben sind zunächst einmal zu vernachlässigen. Denn dass diese später gelingen werden, steht gar nicht in Frage. Stattdessen konzentriert ein Team sich voll darauf, den schwersten Teil eines Projekts zuerst anzugehen. Das kostet ungleich viel mehr Anstrengung, liefert aber im Vergleich zur anderen Herangehensweise sehr viel früher die Erkenntnis, ob das Projekt überhaupt gelingen kann. 

Ein Beispiel: Google X begann 2010 mit der Arbeit auf dem Gebiet des autonomen Fahrens. Das war nicht nur sehr teuer, sondern erzielte auch keine kurzfristigen Erfolge. Es gab im Gegenteil sogar reichlich RückschlägeTrotzdem zog der Internetgigant die Entwicklung durch. Waymo heißt das daraus resultierende heutige Unternehmen, das sich ganz dem autonomen Fahren verschreibt. Und die Investmentbank Morgan Stanley schätzte den Börsenwert von Waymo bereits vor zwei Jahren auf etwa 175 Milliarden Dollar – so viel wie Daimler und VW zusammen. 

Neben diesem Positivbeispiel gibt es aber auch grandios gescheiterte Projekte: das Projekt Loon, mit dem Google via Ballons auch entlegenste Gebiete auf der Welt an das Internet anbinden wollte, stellte der Internetgigant Anfang dieses Jahres ein. Der Grund: Es gab keine Perspektive für einen wirtschaftlichen Betrieb. 

Wann und warum Monkey First überhaupt sinnvoll ist 

Nun planen die allermeisten Unternehmen nicht gerade, die Welt der Mobilität im Alleingang zu revolutionieren. Warum sollte man sich also überhaupt mit diesem Vorgehen im Projektmanagement beschäftigen? Natürlich macht die Monkey-First-Strategie nicht in jedem Projekt Sinn. Welche Vorteile sie allerdings unter bestimmten Umständen bietet, möchte ich in einer kurzen Übersicht zusammenfassen: 

 

  • Schnelle Innovationszyklen: Gerade bei neuen Ideen liefert diese Strategie schnelle Ergebnisse. Statt sich in kleinen Schritten heranzutasten, wird zunächst im übertragenen Sinne dem Affen das Lesen beigebracht. Beispielsweise, als es um die Frage ging, ob eine Drohne bei der Inventur in der Logistik helfen kannEine leicht modifizierte Standard-Drohe mit Kamera und ein paar Aufkleber auf Testpaletten später war klar, dass es grundsätzlich gelingen konnte. Der Rest war ab dann vergleichsweise leicht und das Kreativ-Team konnte sich einer neuen Aufgabe widmen, während ein Produkt-Team sich an die Umsetzung macht. Das sorgt für schnelle Innovationszyklen.
     
  • Scheitern ist eine OptionWer sich auf innovative Ideen einlässt, erhält nicht immer das erhoffte Resultat – so wie Google mit Loon. Scheitern ist eine Option, und das ist in Ordnung. Dazu gehört natürlich eine entsprechende Fehlerkultur im Unternehmen. Alle Mitarbeiter sollten kreative Ideen und Verbesserungsvorschläge einbringen können. Und mindestens genauso wichtig: Sie sollten dazu motiviert und für ihre Ideen belohnt werden – unabhängig davon, was aus dieser Idee schließlich wird. Das Wichtigste ist jedochaus den gemachten Erfahrungen für künftige Projekte zu lernen.
     
  • Langzeit-CommitmentWer neue Wege gehen will, wird nicht schnell ans Ziel kommen. Gerade weil der Monkey-First-Ansatz die einfachen Schritte überspringt und sich gleich der ganz großen Herausforderung widmet, wird die Arbeit daran Zeit und somit Geld kosten. Es ist eine Investition in die Zukunft der Firma und die Chance, den Mitbewerbern künftig einen entscheidenden Schritt voraus zu sein. Quick-Wins gibt es dabei nicht. Und es müssen auch nicht immer Milliarden sein: Für ein mittelständisches Unternehmen können Moonshots mit fünf- oder sechsstelligen Beträgen pro Jahr über einen Zeitraum von mehreren Jahren bereits enorm belastend sein. Die Versuchung, sie nach einiger Zeit – vor allem in Krisenzeiten – abzubrechen, ist enorm hoch. Umso wichtiger ist es, sich voll zu einem solchen Projekt zu bekennen und es durchzuziehen, bis eine belastbare Einschätzung über den Projekterfolg vorliegt. Dazu gehört auch, wie im Fall von Loon, die Reißleine zu ziehen, wenn absehbar ist, dass daraus nichts werden kann. Sich nicht in ein Projekt zu verrennen, das zu schön ist, um wahr zu sein, erfordert ebenfalls Mut. 

Die Monkey-First-Strategie ist also keineswegs so abgehoben, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Sie ist sicherlich kein Universalschlüssel für das Projektmanagement. Aber auch, wenn sie nicht zum Tragen kommt, gehören wichtige Stellschrauben in der Unternehmenskultur dazu, von deren Implementierung Sie sicher auch so profitieren. Eine offene Fehlerkultur zum Beispiel oder die Motivation für Mitarbeiter, Ideen einzubringen. Und das wäre doch schon mal ein guter Anfang. 

 

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Strategie: „Everybody has a plan until they get punched in the mouth“

Mike Tyson wurde im Alter von nur 20 Jahren zum jüngsten Schwergewichtschampion der Boxgeschichte. Als „Iron Mike“ machte er sich einen Namen für seine harten Schläge, die vielen seiner Kontrahenten schon vor dem Match Respekt einflößten. Wer gegen ihn gewinnen wollte, musste nicht nur mental fit sein, sondern auch strategisch klug agieren können. 

So wie Evander Holyfield. Der stieg 1996 zu einem Kampf gegen Mike Tyson noch einmal in den Ring, den er eigentlich vier Jahre zuvor schon verlassen haben wollteDie Wetten standen 15:2 gegen ihn. Doch Holyfield rechnete sich selbst gute Chancen gegen „Iron Mike“ aus, wenn er seinen Plan umsetzten könnte. Mike Tyson, im Vorfeld auf die möglichen Strategien seines Gegners angesprochen, meinte dazu nur: „Everybody has a plan until they get punched in the mouth.“ Und dann geschah das Unerwartete: Holyfield gewann tatsächlich gegen den vermeintlich überlegenen Schläger, weil er einen Plan hatte und diesen während des Matches anpassen konnte. Und zwar trotz aller harten Schläge, die er einstecken musste. 

 

IT ist wie Boxen – nur ohne Rippenbrüche 

Die Moral von der Geschichte wird allerdings oft falsch ausgelegt. Everhält sich keineswegs so, dass Tyson etwas gegen Strategie oder Pläne hätte. Ohne Vorbereitung und Training hätte auch er es sonst nicht bis an die Spitze des Boxolymps geschafft. Die Frage ist vielmehr, wie man reagiert, wenn man den ersten harten Treffer einsteckt – und zwar trotz aller sorgfältigen Planung. Wie hält man sich im Ring? Das gilt nicht nur für den Boxsport, sondern auf einer übertragenen Ebene für viele Bereiche, und im Besonderen für die IT. Ein realistischer Plan, der den Anforderungen des Unternehmens gerecht wird, ist die Grundlage aller weiteren Entscheidungen. Das beginnt bei der Abwägung des passenden Betriebskonzepts, ob eigene Serverhardware, der Weg in die Cloud oder doch erst in ein externes Rechenzentrum. Besonders aktuell ist derzeit das Thema Datensicherheit, Cyberkriminalität boomt. Wer zu weit weg von seinen Anforderungen plant, Bedrohungssituationen falsch einschätzt oder gar IT-Sicherheitsaspekte völlig ignoriertder läuft Gefahr, schon beim ersten schweren Treffer im übertragenen Sinne auf die Bretter zu gehen.  

 

Harte Punches und flexible Planung 

Tyson und Holyfield haben eines gezeigt: Auch der beste Plan wird den ersten Schlag ins Gesicht nicht unbeschadet überstehen. Aber es ist wichtig, einen guten Plan und eine ausgeklügelte Strategie zu haben. Man will dem ersten heftigen Punch möglichst lange ausweichen und selbst angreifen. Wenn er dann doch trifft, gilt es zu improvisieren, nicht auf die Bretter zu gehen und sich schnell der veränderten Realität nach dem ersten Punch anzupassen. damit nicht direkt der Knock-out folgt. Ein guter Plan übersteht diesen harten Punch in seiner grundsätzlichen Strukturweil er flexibel angepasst werden kann. Weil er bestimmte Szenarien beinhaltet und alle Beteiligten schnell wissen, wie sie wieder aus den Seilen kommen. Dass solche harten Schläge trotz aller guten Planung auch treffen können, steht außer Frage. 

Daran hat auch Evander Holyfield damals nicht gezweifelt. Um darauf vorbereitet zu sein, hilft der richtige Partner an seiner Seite. Einer, der das Business kennt und im Sparring mit dem Kunden wichtige Tipps aus der IT-Praxis geben kann. Sozusagen ein Trainer, der sich nicht darauf verlässt, dass es schon irgendwie gut gehen wird und diese schweren Schläge niemals kommen. Sondern ein echter Partner, der seinen Kunden bestmöglich darauf vorbereitet, nicht gleich K.O. zu gehen. Zum Beispiel, indem er ihm hilft sich darauf vorzubereiten, wie man sich gegen Serverausfälle wappnet. Oder auch, wie man im schlimmsten Falle schnellstmöglich wieder die Betriebsfähigkeit herstellen kann. Und was bei einem Hackerangriff zu tun ist. Entscheidend ist, zusammen mit dem Partner die angemessene und sichere IT-Struktur zu eruieren, einzuführen und sie auf einem hohen Niveau immer wieder anzupassen – und zwar bevor der Punch kommt. Denn wer erst einmal benommen auf die Bretter geschickt wird, hat definitiv gerade keinen Kopf für strategische Visionen. 

Übrigens, wenn Sie sich das mit den Plänen und den Punches einmal vom „Baddest Man on the Planet“ höchstselbst erklären lassen wollen: Mike Tyson ist seit dem Ende seiner Boxerkarriere als Keynote Speaker unterwegs. Wenn es um IT-Themen geht, sollten Sie allerdings besser jemanden fragen, der sich damit auskennt. Ich könnte Ihnen da jemanden empfehlen … 

Big Data? Na klar, meine Excel-Datei ist schon 15 MB groß!

Big Data hier, Big Data da. Jeder spricht darüber, es ist das ganz große Ding, das keiner verpassen will. Keine Konferenz zum Thema Digitalisierung ohne nicht wenigstens einen Vortrag im Zusammenhang mit Big Data. Auch im speditionellen Umfeld geistert das griffige Schlagwort herum und man hat das Gefühl: Alle arbeiten entweder schon daran, etwas damit zu machen, oder setzen es in irgendeiner Form bereits ein. An dieser Stelle möchte ich Sie zwar nicht desillusionieren, aber ich sage es mal so: Nur weil Ihre Exceldatei 15 Megabyte groß ist, nutzen Sie noch lange nicht Big Data. Spoiler Alarm: Wahrscheinlich brauchen Sie es in den nächsten Jahren nicht einmal.

Big Data als Blackbox

Aber fangen wir einmal vorne an. Big Data wird häufig als Sammelbegriff für viele weitere Trends benutzt, die durchaus damit kombinierbar sind, aber nicht dasselbe meinen. Künstliche Intelligenz (KI) gehört zum Beispiel dazu. Sie kann dabei helfen, die Big-Data aufzubereiten, zu analysieren, schließlich zu interpretieren und auf dieser Grundlage bestimmte Probleme lösen. Sie hilft bei ergebnisoffenen Analysen, wie zum Beispiel Prognosen. Aber dazu brauchen Sie zunächst einmal jene großen Datenmengen. Und das sind überwiegend unstrukturierte Massendaten, die sozusagen wie durch einen Trichter in eine Blackbox laufen. Das beste Beispiel dafür, wo solche Informationen anfallen, sind soziale Medien. Nehmen wir zum Beispiel Twitter: Auf der Plattform posten User pro Tag etwa 500 Millionen Tweets. Diese haben zwar einen Zeitstempel und sind eindeutig Benutzern zuzuordnen. Aber diese Datenmenge strukturiert auszuwerten – zum Beispiel, um bestimmte Trends oder Stimmungen erkennen zu wollen – ist eine enorme Herausforderung. Hashtags helfen ein wenig dabei, aber sie kommen längst nicht in allen Tweets vor. Hier geht es darum, Millionen und Milliarden von Datensätzen schnell zu analysieren.

 

Excel: Nur die Größe zählt?

Kaum mit dem speditionellen Umfeld zu vergleichen, richtig? Große Stückgutkooperationen bewegen pro Tag vielleicht 20.000 bis 40.000 Sendungen. Die in diesem Zusammenhang anfallenden Datensätze fallen also längst nicht unter Big Data. Aber nicht nur aufgrund der Menge von Informationen, sondern auch wegen ihrer Struktur. Denn als Logistiker sammeln sie so gut wie keine unstrukturierten Massendaten. Sie haben genaue Informationen über Verlader, Empfänger, Zustelltermine, Kapazitäten, Mengen und so weiter. Weil diese Daten so gut strukturiert sind, nutzen vor allem mittelständische Logistiker nach wie vor relationale Datenbanken, die mit Tabellen funktionieren. Und damit sind wir auch schon bei den nach wie vor unglaublich beliebten Excel-Dateien, die gerade bei mittelständischen Speditionen das Maß aller Dinge sind. Generell kann man sagen: Je größer die Exceldatei, desto besser fühlen sich alle Beteiligten. „Wow, meine Excel ist schon 15 MB groß, nicht schlecht!“ Da stecken fraglos viele Daten drin, aber mit Big Data hat das ungefähr so viel gemeinsam wie eine Diskette mit den Anforderungen der Digitalisierung im 21. Jahrhundert.

 

Excel ist außerdem recht begrenzt. Nicht nur, dass die Software nicht mehr als 1,04 Millionen Zeilen verwalten kann. Hinzu kommt, dass selbst das schon eine reichlich theoretische Größe ist. Denn lange bevor Sie an diese Grenze stoßen, wird die Datei auf eine derartige Größe angeschwollen sein, dass Sie sie kaum noch vernünftig bearbeiten und auswerten können. Spätestens bei Dateien von 100 MB ist dann endgültig Schluss, ganz egal, wie leistungsfähig Ihr Computer ist. Und auch mit der besten Tabellenkalkulation lässt sich dank Formeln und Funktionen nur ermitteln, was ist. Prognosen sind damit nicht möglich.

BI statt BD!

Fassen wir also zusammen: Per Definition passt Big Data im Moment noch nicht so recht in die Speditionswelt, weil es dabei um (teilweise unstrukturierte) Massendaten geht. Speditionen hingegen sammeln und verarbeiten zahlreiche strukturierte Daten, die sich auch im Jahre 2020 noch in einem überschaubaren Rahmen bewegen. Und weil im Mittelstand nach wie vor häufig genug noch Excel zur Auswertung benutzt wird und die Datenmengen auch in Zukunft nicht auf hunderte Millionen oder gar Milliarden Datensätze pro Tag anschwellen werden, wird Big Data auch in einigen Jahren für die insgesamt mittelständisch geprägte Branche keine große Rolle spielen. Was hingegen tatsächlich statt BD wichtiger wird, ist BI – Business Intelligence.

Intelligente, automatisierte und schnell verfügbare Auswertungen sind das zentrale Thema jeder Spedition. Die Basis dafür bilden moderne relationale Datenbanken wie SQL, die tatsächlich auf die stetig steigenden Mengen an strukturierten Daten ausgelegt sind. Jede klassische BI-Lösung fußt auf einer solchen Datenbank, die zudem auch ohne künstliche Intelligenz fähig ist, Prognosen zu erstellen. Auch wenn damit zum Beispiel im Hinblick auf Mengenschwankungen keine absolute Planungssicherheit möglich ist, kann man sich doch zumindest annähern. Aber auch das beste Prognosemodell wäre an Sonderfällen wie der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie gescheitert.

Big Data ist also nicht gleichbedeutend mit much Data, Prognosen bereiten nicht auf jede Eventualität vor und eine KI ersetzt keine BI. Für Speditionen sind die klassischen, historischen Auswertungen noch immer das Beste, weil sie so exakte Ergebnisse auf eindeutige Abfragen liefern. Business Intelligence macht es möglich. Wenn es also um die Zukunft der Speditionen geht, ist der nächste Schritt erst einmal der, von Excel zu einer echten Business Intelligence zu wechseln. Erst danach lohnt sich ein Blick in die Glaskugel.

Das Streben nach dem Digitalisierungs-Glück

Digitalisierung? Alles klar! Man kauft halt ein paar neue Server oder OfficeLizenzen, aktualisiert das ERP auf die fast neueste Version – wir wollen ja nicht übermütig werden –, schickt Mitarbeiter auf Schulungen und zu guter Letzt erlaubt man sich auch noch den Luxus, ein paar Wünsche aus der Operativen zur Optimierung von Abläufen beim Softwarehersteller zu ordern. Läuft doch! 

Aber ist das wirklich alles? Macht das die Digitalisierung aus? Bereitet man damit ein Unternehmen auf die Zukunft vor?  Natürlich benötigt Digitalisierung eine moderne Infrastruktur für den Austausch von Daten, das Verweben von unterschiedlichen Plattformen und gut geschulte Mitarbeiter. Aber was es an erster Stelle braucht, ist das entsprechende Mindset. Die gedankliche Infrastruktur, wenn Sie so wollen. Denn der Prozess mit dem großen D, von dem alle reden, erfordert ein Umdenken und einen kritischen Blick auf Bestehendes. Sonst bleiben die Erfolge durch die Digitalisierung in Ihrem Unternehmen weit hinter den Möglichkeiten zurück. Oder wie der frühere Vorstandschef von Telefonica Deutschland, Thorsten Dirks, es auf einen ebenso eingängigen wie zutreffenden Nenner brachte: „Wenn Sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben Sie einen scheiß digitalen Prozess.“  

 

Das haben wir immer schon so gemacht – jetzt eben digital 

Damit sorgte er auf dem Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung 2015 für Lacher und Zustimmung. Aber niemand ist mit erhobener Faust aufgestanden und hat aus Protest etwas erwidert. Keine Empörung. Kein Widerspruch. Dabei ist es genau das, was Viele denken. Ein Beispiel, das leider gar nicht mal weit hergeholt ist: Die analogen Arbeitsprozesse in einem Unternehmen werden evaluiert. Eine passende IT-Lösung wird gesucht, gefunden, gekauft oder gemietet, implementiert und in Betrieb genommen. Wunderbar. Und dann wird sichergestellt, dass digital möglichst alles genauso abläuft, wie es vorher analog funktioniert hat. Denn das ist seit Jahren bewährt – warum sollte sich das also bitteschön ändern? 

 

Und in dieser Einstellung liegt die Krux. Der Digitalisierungshype mutiert damit zur Pseudodigitalisierung. Das ist ungefähr genauso effizient, als würden Sie ihren modernen Computer noch immer mit Lochstreifen füttern, weil Papier ja geduldig ist. Es passt einfach nicht zusammen. Und Unternehmen, die nur auf eine solch oberflächliche Digitalisierung setzen, verpassen eine echte Chance. Die Gelegenheit nämlich, Abläufe und Prozesse zu hinterfragen, zu optimieren, zu automatisieren und alte Zöpfe einmal abzuschneiden, um damit effizienter und zukunftsfähiger zu werdenDarum sollte es doch eigentlich bei dem ganzen Prozess gehen. Digitalisierungs-Happiness kommt da jedenfalls nicht auf. Rainer Hoppe von Apari Consulting führt immer wieder in seinen Vorträgen zur Auswahl eines neuen Transport-Management-Systems (TMS) aus, dass dies heute kein reines ITProjekt mehr ist. Die Auswahl und Einführung einer (neuen) Software ist vielmehr in erster Linie ein ChangeProjekt 

 

Das Streben nach dem Digitalisierungs-Glück 

Wer also nicht nur einem Buzzword hinterherjagen und nach außen verkünden will: „Klar sind wir bei der Digitalisierung auch dabei!“, der sollte eine Declaration of Digitalisierungs-Happiness erstellen. Und die beginnt mit einem Festhalten der Ist-Situation und damit verbundenen offenen Fragen, wie sich diese durch Digitalisierung optimieren (und nicht 1:1 übersetzen) ließe. Und ebenso wichtig, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Anfang an einbezogen werden können, damit das Projekt am Ende zum Erfolg wird und alle nicht nur verstehen, warum dieser Schritt notwendig ist. Sondern damit sie den Weg auch aktiv mitgestalten können. Indem Sie Prozessverbesserungen vorschlagen. Aber auch, indem sie Sorgen im Zusammenhang mit dem Wandel äußern können und sich gehört fühlen. Die Deklaration liest sich dann vielleicht ein wenig wie ein Wunschzettel, aber erst diese grundlegende gedankliche Infrastruktur bereitet den Boden für den folgenden technischen Wandel. 

Denken Sie an die drastischen Worte von Thorsten Dirks. Dann hinterfragen Sie Ihre Prozesse zusammen mit Verantwortlichen aus der Operative und formulieren Ziele, die sie im Zusammenhang mit dem Change erfüllt sehen möchten. Wenn Sie so vorgehen, können Ihnen auch IT-Experten besser helfen, als wenn es lediglich heißt: „So ist unser Prozess heute – und jetzt übersetzen wir das 1:1 ins Digitale.“ Wer sich darauf einlässt und wirklich kritisch hinterfragt, wer bereit ist, sinnvolle Veränderungen vorzunehmen, der kann mit der Digitalisierung nicht nur sein unternehmerisches Gewissen beruhigen. Sondern der hat die Chance, wirklich etwas zu bewegen. 

 

Kill your company: Verpassen Sie das Boot noch oder versenken Sie es schon?

Es ist keine neue Weisheit, dass Veränderungen stetige Begleiter sind. Voraussetzungen und Geschäftsmodelle verändern sich ebenso wie Rand- und Rahmenbedingungen. Wettbewerber tauchen auf. Einige von ihnen verschwinden genauso schnell wieder von der Bildfläche, wie sie erschienen sind. Andere wiederum etablieren sich langfristig und werden zu ständigen Marktbegleitern und damit – sprechen wir es doch mal offen aus – lästig. Weil Märkte zunehmend virtuelle Handelsplätze sind, verändert sich hier ständig Vielesund zwar mit zunehmender Geschwindigkeit.

Das alles erfordert Anpassungsfähigkeit, schnelle Reaktionen und visionäre Ausblicke in eine Zukunft, über die man trefflich spekulieren und orakeln kann, die aber niemand wirklich voraussagen kannSicher ist: Veränderung findet laufend statt, ob es uns nun gefällt oder nicht. Und darum besteht auch ein stetiger Handlungsbedarf. Die Frage ist nun, welche Aktivitäten und Handlungen angemessen, notwendig und vor allem richtig sind. Um diese wichtige Leitfrage hat sich eine Community gebildet, die sich „Rebels at Work“ nennt. Sie verbindet mutige Querdenker aus allen Unternehmen und Branchen, die sich für neue Ideen begeistern statt an alten Routinen festzuhaltenDie Initiatoren Anja Förster und Peter Kreuz bringen dazu auf ihrer Website zwei interessante Aspekte ins Feld: 

 

Alle Mann an Bord! Wir sinken! 

Ein Aspekt basiert auf den Ausführungen der beiden Marketingprofessoren Peter Dickson und Joseph Giglierano. Sie führten in einem Artikel für das Journal of Marketing unter der Überschrift „Das Boot versenken oder das Boot verpassen“ sehr anschaulich aus, welche Auswirkungen das Negieren von Veränderungsnotwendigkeiten haben kann. Das Boot versenken heißt in diesem Zusammenhang: Man weiß, dass sich etwas grundlegend verändern muss. Also geht man kühn und mutig vor, scheitert mit diesem forschen Auftritt allerdings grandios. Damit so etwas nicht passiert, sind Unternehmen in aller Regel gut präpariert. Risiko- und Marktanalysen, Forschung, Planung und interne Genehmigungsverfahren sorgen neben vielen weiteren Sicherheitsmaßnahmen dafür, dass dieses Szenario nicht zur Regel wirdAber mit diesen Sicherheitsmechanismen ist zu einem gewissen Grad auch die stetige Angst verbunden, etwas zu verändern. Denn gerade hierzulande überwiegen häufig die Bedenken, Risiken werden gescheut. Man bezeichnet dieses teilweise überzogene deutsche Sicherheitsbedürfnis und Bedenkenträgertum gerne auch als „German Angst“. 

Die Folge daraus ist die zweite Risikovariante: Das Boot zu verpassen. All die Risikominimierung und die vielen Bedenken, Vorschriften und liebgewonnenen Gewohnheiten sorgen dann dafür, dass gar keine Änderungen mehr stattfinden. Man scheut jegliches Risiko so lange, bis das Boot im übertragenen Sinne eben abgefahren ist, weil Wettbewerber oder Pioniere das Ruder übernommen haben. Das kann also auch keine Lösung sein. Daraus folgtdass wir uns verändern müssen. Und zwar rechtzeitig. Damit das funktioniert, müssen wir die richtigen und notwendigen Maßnahmen kennen. Nun ist es freilich eine Sache dies alles zu verstehen und grundsätzlich veränderungsbereit zu sein. Nur: Wie erkenne ich, was tatsächlich notwendig ist? Damit sind wir bei dem zweiten Aspekt, den Förster und Kreuz in Ihrem Blog skizziert haben. 

Üben für den Ernstfall 

Hierbei geht es um ein Gedankenspiel, dass einen radikalen Perspektivwechsel erfordert. Es trägt den Arbeitstitel „Kill your Company“ – töte dein UnternehmenDabei beschäftigen sich einige clevere, wichtige und kreative Mitarbeiter mit dem disruptiven Gedanken, wie das eigene Unternehmen so richtig in Schwierigkeiten geraten könnte. Rein theoretisch, versteht sich. Wie könnte beispielsweise ein etablierter Konkurrent oder ein Start-up das bestehende Geschäftsmodell der eigenen Firma nicht nur gefährden, sondern es sogar ziemlich schnell überflüssig machenIn aller Regel wird dieses Gedankenspiel mit Begeisterung aufgenommen. Eine lebhafte Diskussion entsteht, die mit viel Fantasie und einer ganz eigenen Dynamik diverse Denkmodelle mit beunruhigenden Szenarien ans Tageslicht befördern. Diese Ergebnisse werden zusammengetragen, kategorisiert, sortiert und gruppiert. Ich nehme es einmal vorweg, es gibt eine Vielzahl an Optionen, die wirklich erschreckend sind. Dieser Ideenpool offenbart die eine oder andere offene Flanke. Er zeigt viele Schwachpunkte auf, aus denen mehr oder weniger ernsthafte Bedrohungen für das eigene Unternehmen folgen. 

Dabei geht es gar nicht darum, ob es nun wirklich so drastisch und dramatisch kommen wird wie in den krassesten Szenarios angenommen. Es geht ausschließlich darum, sich über eines klar zu werden: Da draußen gibt es diverse Menschen und Unternehmen, die sich gerade genau dieselben Frage stellen und zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Wie kann ich dieses Unternehmen aus dem Rennen schlagen? Seine Rolle im Markt übernehmen? Kurz: Einen lästigen Wettbewerber kaltstellen! Nun kommt der zweite Teil der Übung, verbunden mit der Fragestellung, welche dieser Gefährdungen und Bedrohungen am größten und wahrscheinlichsten sind. Das sind dann genau die Themenfelder, mit denen wir uns unverzüglich beschäftigen sollten. Und zwar, indem wir Maßnahmen ausarbeiten, um die Entfaltung dieser erkannten Gefahrenpotenziale zu verhindern. 

Diese Übung hilft Ihnen sicherlich dabei, sich besser auf Veränderungen und bedrohliche Szenarien vorzubereiten. Wer dies regelmäßig durchführt, dürfte zumindest einige notwendige Veränderungsoptionen aufzeigen, die gar nicht so falsch sein können. Die Antwort muss nicht unbedingt lauten, mit einem Start-up zu kooperieren, das tendenziell disruptive Ideen verfolgt. Oder gleich ganze Unternehmen und deren Know-how einzukaufen. Die Idee von Kill your company ist, sich eben nicht von Marktentwicklungen oder Konkurrenten überholen zu lassen, sondern sich gewissermaßen selbst Konkurrenz zu machen. Indem Sie langfristig Prozesse ändern oder das Produktportfolio überdenken. Indem Sie die Offenheit Ihrer Mitarbeiter und deren Einschätzungen ernst nehmen. Kurz: Indem Sie den unvermeidlichen Wandel Ihres Unternehmens gestalten wollen. 

 

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Auch in der Logistik gilt: „Uber yourself before you get Kodaked“

„Never change a running system“ ist ein sehr weit verbreitetes Motto – nicht nur, aber auch in der Logistik. Es klingt nur logisch und man ist geneigt, dem unumwunden zuzustimmen. Aber eigentlich ist das nur eine andere Formulierung für: „Lassen wir alles beim Alten, denn das haben wir immer schon so gemacht.“ Und diesen Satz würden dann schon weit weniger von Ihnen guten Gewissens unterschreiben. Auch wenn er tatsächlich recht häufig praktiziert wird.

Denn mal ehrlich: Wie lange wird die ein oder andere programmierte Insellösung aus den 80ern oder 90ern in Speditionen durchgeschleppt, weil sie eben funktioniert – und ein Umstieg komplex und teuer erscheint? Und wie steht es um alte Server mit Betriebssystemen, für die es längst keinen Support mehr gibt? Auch hier gibt es genügend Beispiele für Unternehmen, die sich mit alter Hard- und Software belasten. Nicht aus nostalgischen Gründen, sondern weil eine Veränderung auch eine Veränderung der etablierten Prozesse bedeuten würde.

Früher Kataloge gewälzt, heute Onlineshops durchstöbert
Dabei gibt es reichlich warnende Beispiel dafür, was Unternehmen schlimmstenfalls droht, die an ihren Prozessen festhalten und sich nicht für Veränderungen öffnen wollen. Eines der prominentesten Beispiele hierzulande ist das Versandhandelshaus Quelle. Dazu folgende kleine Anekdote: Im Rahmen einer Fraunhofer IML-Veranstaltung, bei der es um Internetshops ging, fiel folgende Aussage eines damaligen Mitglieds des Managements bei Quelle: „Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass unsere Kunden auf das Vergnügen verzichten wollen, in unserem Katalog zu blättern.“ Heute müssen wir beinahe automatisch darüber schmunzeln, aber damals konnte er diesen Satz sagen, ohne ausgelacht zu werden. Immerhin erzielte Quelle 2001 einen Umsatz von fast vier Milliarden Mark – und zwar nur im ersten Halbjahr. Gleichwohl sanken die Gewinnmargen zunehmend. Und was war die daraus gezogene Konsequenz? Quelle beschloss, das Katalogsortiment neu zu gestalten. Anders als oft behauptet, blendete das Unternehmen das Onlinegeschäft aber keineswegs aus. Perspektivisch komme dem große Bedeutung zu, hieß es 2001 im Tagesspiegel. Nur blieb das klassische Versandhausgeschäft eben zu lange im Fokus, andere Onlinehändler hängten Quelle rasch ab. Acht Jahre später war das Unternehmen dann am Ende.

Ebenso wie Quelle schwor auch Kodak zu lange auf Papier: Beim Wechsel von analogen zu Digitalkameras war das einstmals riesige Unternehmen plötzlich kein Thema mehr. Neue Absatzmärkte waren nur unzureichend erschlossen und das Kerngeschäft brach zu schnell weg – das Aus für den Filmhersteller folgte prompt. Und weil sie in diesem Zusammenhang selten genannt werden, will ich auch Beispiele aus der Hard- und Softwarewelt nicht ausblenden: Computerhersteller Nixdorf, der sich auf Großrechner spezialisiert hatte, war nach Rekordumsätzen Mitte der 80er Jahre innerhalb von nur fünf Jahren schon in ernsten Schwierigkeiten und wurde 1990 von Siemens gekauft. Im heiß umkämpften Markt der Personal Computer, die immer günstiger und leistungsfähiger wurden, konnte der Computerbauer nicht mithalten. Und wenn Sie bereits in diesen Jahren schon einen Computer genutzt haben, werden Sie sich noch an Softwaretitel wie WordPro, VisiCalc oder Lotus 123 erinnern. Das waren die Standards. Kein Weg führte daran vorbei. Und was nutzen Sie heute?

„Uber yourself before you get Kodaked“
Es ist also nicht so, als wären Unternehmen aus der IT-Welt per se anpassungsfähiger. Die Frage, die alle Firmen branchenübergreifend und gleichermaßen betrifft, ist die nach Veränderungsbereitschaft. Es sollte nicht „never change a running system“ heißen, sondern „regularly change a running system.“ Oder, wie es im Silicon Valley heißt: „Uber yourself before you get Kodaked.“ In der Logistik passiert seit einigen Jahren schon einiges, das darauf hinweist, dass ein „Weiter so!“-Denken und Aufschieben von Digitalisierungsprojekten kein Garant für Unternehmenserfolg in den kommenden Jahren sein wird. Weder im Mittelstand noch für Konzerne.

Die vielbeschworenen digitalen Speditionen sind keine Übergangserscheinungen. Sicher, damit sind Investitionen verbunden. Aber die Frage sollte nicht sein, wie lange sich die noch aufschieben lassen. Denn dass sie unumgänglich sind, steht fest. Mit jedem Jahr, das vergeht, werden sie nur komplexer und teurer. Online-Frachtbörsen oder Vergleichsportale für Speditionen sind bereits Realität – und nicht erst seit gestern. In zahlreichen Anwenderberichten können Sie zudem online nachlesen, welche Effizienzgewinne Logistiker mit Soft- und Hardwareumstellungen erzielen. Oder sogar mit der kompletten Auslagerung ihrer IT-Betriebsstruktur. Was es also vor allem braucht, ist die Entschlossenheit, sich auf die kommenden Veränderungen einzustellen. Bestehende Prozesse grundlegend hinterfragen. Damit Sie am Ende nicht wie Quelle darüber philosophieren, wie sie ihren Katalog schöner machen können. Sondern damit sie neue Wege einschlagen und konsequent verfolgen können.